Ermittler dürfen nicht ohne Anlass auf die Daten von Internet- und Handynutzern zugreifen. Dies urteilte das Bundesverfassungsgericht heute und erklärte damit Teile der Bestandsdatenauskunft für verfassungswidrig.
Der Europaabgeordnete Patrick Breyer (Piratenpartei) über das Urteil:
“Der bessere Schutz unserer privaten Internetnutzung und unserer Passwörter ist ein Erfolg jahrelangen Engagements von Bürgerrechtler/n, der Piratenpartei und über 6.000 Bürgerinnen und Bürgern als Beschwerdeführer. Das geheime Kopieren von Wohnungsschlüsseln ist eine bekannte Stasi-Methode. Unsere Passwörter sind im digitalen Zeitalter wie Schlüssel zu unserer Wohnungstür. Wer Polizei und Geheimdiensten blauäugig vertraut, kennt nicht die zahlreichen Fälle, in denen Beamte ihre Möglichkeiten zum Ausspionieren ihres privaten Umfelds oder sogar zum Datenverkauf an Kriminelle missbraucht haben. Und wehe uns, wenn diese Spionagemöglichkeiten eines Tages sogar in die Hände einer nicht-demokratischen Regierung gelangen sollten. In einem Zeitalter der Sicherheitsideologie und Verunsicherung muss Innenpolitikern der Respekt vor unserer digitalen Privatsphäre täglich neu gelehrt werden. Denn eine vielfältige, offene und lebendige Gesellschaft kann nur frei von ständiger Überwachung und Kontrolle bestehen.”
Die Mitbeschwerdeführerin und Autorin Katharina Nocun kommentiert:
“Das Urteil bestätigt: Die gesetzlichen Hürden für tiefgreifende Eingriffe in die Privatsphäre sind viel zu niedrig. Zielgerichtete Ermittlung statt neuer Überwachungsschnittstellen sollte die Devise in einer Demokratie sein. Insbesondere vor dem Hintergrund der wiederkehrenden Diskussionen um Datenmissbrauch bei Polizei und Geheimdiensten ist es erfreulich, dass das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber nun auffordert, bei der Bestandsdatenauskunft nachzubessern. Zugleich ist es bedenklich, dass diese Regelung derart lange Bestand hatte, obwohl Datenschutzbehörden wiederholt auf Mängel hingewiesen haben. Es darf in einer Demokratie nicht zur Normalität werden, dass offensichtlich rechtswidrige Überwachungsbefugnisse erst aufgrund einer Intervention des Bundesverfassungsgerichts zurückgenommen werden. Das Urteil macht deutlich, dass eine lebendige Bürgerrechtsbewegung einen wichtigen Beitrag leistet, um den Schutz der informationellen Selbstbestimmung auch rechtlich einzufordern.”
Das Urteil folgt einer Sammel-Verfassungsbeschwerde gegen den staatlichen Zugriff auf Passwörter und die Identität von Internetnutzerinnen und -nutzern (sogenannte Bestandsdatenauskunft, Az. 1 BvR 1873/13, 1 BvR 2618/13). Diese wurde 2013 von den Bürgerrechtlern Katharina Nocun und Patrick Breyer als Erstbeschwerdeführer neben 6.373 weiteren Bürgerinnen und Bürgern erhoben.
Das Bundesverfassungsgericht begründet das Urteil damit, dass die manuelle Bestandsdatenauskunft das informationelle Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf die Wahrung des Telekommunikationsgeheimnisses der Inhaber von Telefon- und Internetanschlüssen verletze.